Polizei und Beulen

Montag, 6. Dezember 2010

Wir haben eine schöne ruhige Nacht verbracht und nutzen die noch relativ kühlen Morgenstunden um unser Dachschlafzimmer wieder auf Vordermann zu bringen. Wir haben es leider hier im Iran noch nie benutzen können, da es einfach zu kalt und jeweils am Morgen zu Feucht war. So feucht dass sich da oben leichter Schimmel gebildet hat und somit nicht zum schlafen einlud. Aber die kommende Nacht soll wieder im grossen weichen Bett geschlafen werden. Ich schnappte mir das Javel-Wasser und schrubbte was das Zeugs hält. 1 Stunde später glitzerte und blinkte der Dachstock wie neu J

Thomas nutze die Gelegenheit und schmiss sich natürlich wieder einmal unters Auto. Diesmal war die Kupplung dran und wurde schön brav eingeschmiert (Das Ausrücklager macht sich mal wieder bemerkbar und das nach erst gut 10’000km als wir die komplette Kupplung ersetzt hatten). Auch Alia kam auf Ihre kosten und legte sich mit den Krebsen im Wasser an, aber leider ohne Erfolg. Was übrig blieb war ein nasser und sandiger Hund, aber Hauptsache Happy J

Heute wollen wir nach Bandar E- Lengeh um essen einzukaufen und Wasser zu tanken. (Nein man staune, Thomas hat es noch nicht geschafft die Angelroute ins Wasser zu setzen, er hat Angst vor einer Niederlage ;-)) (oder einfach keine passenden Köder…)

Da es noch früher Vormittag ist, scheint die Sonne zum Glück nicht direkt ins Cockpit und somit wird es auch keine 40 Grad und wir können die schöne Fahrt direkt am Meer entlang endlich geniessen. Aber unser Glück soll wohl nicht vor langer Dauer sein.

Nach ca. 30 Kilometer Fahrt kommen wir im Bootsbauerdorf Bandar-Kong an. Thomas fährt langsam, damit wir nach Wasser suchen können. Und da: wir sichten einen Park und biegen an der nächsten Kreuzung rechts ab. Um jedoch an den Park zu kommen  bedarf es noch einem 180 Grad U-Turn und wir wären da gewesen….ja Gewesen!! Mitten in der Kurve hören wir plötzlich Männerstimmen schreien und dann knallt es auch schon. Scheisse, wir müssen denen wohl volle Kanne den Weg abgeschnitten haben. Wir sprangen aus dem Auto um die Unfallstelle zu begutachten. 2 Jugendliche, einer davon mit blutendem Gesicht, der andere scheint unverletzt zu sein. Daneben liegt noch eine Gasflasche, die sie wohl auf dem Motorrad transportiert haben. Ich sprang hinten ins Haus um Verbandszeugs zu holen. Als ich jedoch wieder draussen war, sass der Verunfallte bereits in einem Auto um in den Spital zu fahren. Ich konnte ihm grad noch einen Verband durchs Fenster reichen und dann brauste das Auto auch schon davon. Mir zitterten die Knie als ich zurück zur Unfallstelle lief und das Motorrad am Boden liegen sah. Immer mehr Menschen versammelten sich ums Auto, Motorräder, Autos alle blieben sie mitten auf der Strasse stehen und glotzen uns an.

Dutzende Schaulustige schlichen ums Auto. Ich sicherte die Hintertüre damit nicht irgendjemand auf die Idee kommt die Türen aufzureissen (Das ist hier so üblich, einfach erst mal die Türe aufreissen und hallo sagen).

Thomas stand derweil mit all den Leuten im Kreise, es wurde viel diskutiert und gestikuliert. Aber dazu sagen konnte er nicht viel, zumindest nicht so dass ihn jemand Verstand. Zum Glück gesandte sich noch ein Lastwagenfahrer dazu, der Gottseidank sehr gut Englisch sprach und somit uns etwas helfen konnte. Nach ca. einer halben Stunde kam der Vater der verunfallten sowie die von ihm geforderte Polizei hinzu. Diese räumtem das ganze Chaos endlich mal etwas auf. Alle die auf der Strasse standen wurden mit scharfer Stimme davon gescheucht und vertrieben. Nun mussten wir unsere Pässe und die Fahrzeugdokumente vorweisen und dann hiess es auch schon „please follow“.

Na gut. Vor uns stand also ein Polizei-Motorrad und ein Polizei Auto. Wir setzten uns ins Auto und folgten den beiden Fahrzeugen.Bis am nächsten Kreisel einer von Ihnen die erste Ausfahrt nahm und der andere die Zweite…Super, wohin jetzt? Das Polizeiauto winkte uns und somit dachten wir los, hinterher. Falsch gedacht. Das Polizeiauto hielt 100 Meter später an und als ob der Kreisel den Beamten das gesamte Gehirn gelöscht hätte, stieg er aus und fragte uns erneut nach den Pässen und den Fahrzeugdokumenten. Man, so langsam waren wir echt genervt (und gestresst und überhitzt und überhaupt). Nach erneuter Kontrolle aller Papiere nickte er und meinte dass wir dem Polizei-Motorrad hätten folgen müssen. (Toll, das hätten sie uns auch früher sagen können). Das Motorrad kam auch gleich angetuckelt und wir folgten nun also diesem bis zum nächsten Polizeiposten. Thomas ging ins Revier und ich haltete mit Alia draussen die Stellung. Nach und nach sah ich dann weitere Personen in das Revier laufen, die ich bereits auf der Unfallstelle.

Bericht von Thomas:

„Die Schuldfrage war schnell geklärt, ich hätte dem Motorrad nicht den Weg abschneiden sollen. Keine Frage. Dass die Jugendlichen ohne Führerausweis und Helm unterwegs waren, Interessiert in erster Linie keiner. Der Polizeiposten war zu Beginn lediglich von zwei Beamten besetzt. Kurz darauf kam der ältere Bruder der verunfallten und der Lastwagenfahrer, welcher bereits an der Unfallstelle super als Dolmetscher zur Verfügung stand, hinzu. Es wurden nochmals alle Dokumente überprüft, nach dem Grund unserer Reise und dem weiteren Verlauf gefragt. Da ich meinen Führerausweis im Auto vergessen hatte, gab ich ihnen den Schweizer Fahrzeugausweis, als Fahrzeugausweis musste dann das Carnet de Passage herhalten. Über die Richtigkeit der Dokumente wusste keiner genau Bescheid, auch als ich versicherte unsere Greencard (leider nur bis in die Türkei gültig) sei eine Weltweite Fahrzeuginsurance, stutze keiner den Anwesenden. Die Beamten schienen sehr interessiert daran diese Sache möglichst schnell und unkompliziert zu lösen. Leider waren diese zwei aber nicht die Entscheidungsträger… Es kam noch der Vater der beiden (er hat demnach drei Jungs) hinzu, welcher der eine noch immer in Spitalpflege war.

Als weiteres kam der nächst höhere Polizeikomandat mit zwei Sternen auf den Schultern. Nochmals wurde alles erzählt, die Dokumente vorgezeigt, über Allah und die Welt diskutiert. Zunächst ging es darum dem Vater eine gewisse Summe als Schadenersatz für das defekte Motorrad sowie die Arztkosten zu bezahlen. Ich gab an nicht mehr als 50$ Reserve zu haben, da wir das restliche Geld für die Überfahrt nach Dubai benötigen. Dies war dem Vater aber nicht genug, 100$ sollten es schon sein. Unser Dolmetscher (Mgtba ist sein Nachname?) war schon fast auf dem Weg zur Bank um uns die fehlenden 50$ zu schenken, wovon ich ihn natürlich umgehend abgehalten habe. Die 100$ bezahlen wir schon selbst, keine Frage!

Gut, der Vater hatte ein lächeln auf dem Gesicht, nun ging es darum die Sache mit der Polizei zu regeln. Zwei weitere höhere Beamten in Zivilkleidung kamen auf den Posten, überprüften die Papiere sowie den Inhalt unserer Box. Es wurde im Speziellen nach einem Laptop (warum sage ich auch immer das ich in der Schweiz mit Computern zu tun habe), Waffen oder Pfeffersprays gesucht. Glücklicherweise hatte ich Susanne noch warnen können und unser Laptop lag versteckt vorne bei Alia in der Fahrerkabine. Wieder standen wir alle im Kreis, 7 Beamte, mein Übersetzer und ich… und wir warteten auf den Obersternegeneral welcher die ganze Sache entscheiden könne. Nach 15 Minuten trifft er ein, der erste Polizeibeamte in dieser Runde welcher Englisch spricht. Nochmals gehen wir alle Fragen durch, der Zentralcomputer in Tehran nach weiteren Straftaten durchsucht, Carnet de Passage, Visum und Versicherung überprüft und zuallerletzt unsere Box von ihm höchstpersönlich durchsucht und endlich gibt er das OK. Wir sind frei!! Noch ein paar gut gemeinte Tipps zu Fahrsicherheit und wir müssen eine Stunde bei unserem Dodge vor der Polizeistation warten bis unsere Pässe und Visa kopiert wurden. Dies erledigte aber zum Glück unser neuer Freund Abdullah, dazu aber mehr von Susanne.“

Während dieser ganzen Prozedur wartete ich geduldig mit Alia im Auto und fing bereits an Blog zu schreiben. Da läuft ein unscheinbarer Herr mit Turban auf dem Kappis am Auto vorbei und fragte mich was denn Passiert sei. Ich schilderte Ihm also kurz unsere Geschichte und gut war. Er schlich noch eine Weile draussen rum, jedoch völlig unauffällig. Als ich mit Alia kurz an der Promenade langging kamen ich mit dem Herrn der Abdullah hiess ins Gespräch. Er lebte eine Weile in Dubai, desswegen sprach er auch so gut Englisch. Seine zwei Fischerboote die er Besitzt seien grad auf hoher See um Beute zu machen. Da fragte er mich ob wir Fisch mögen und ehe ich dies bejahen konnte sass er bereits auf seinem Moped um Fisch zu holen. Keine 5 Minuten später kam er mit einer Tüte feinstem Fisch zurück und überreichte sie mir. Ob ich noch mehr Sachen benötige fragte er mich…Brot, Gas, Wasser…Anything you need…Ich lehnte natürlich dankend ab…der Fisch war schon mehr als Genug und ich war wieder einmal vollkommen perplex von dieser Gastfreundschaft. Dies sollte jedoch erst der Anfang sein.

Als Abdullah mit den Kopierten Pässen und Visas zurück kam und Thomas endlich von der ganzen Fragerei der Polizei befreit war, schlich Abdullah sich zu ihm und drückte Ihm umgerechnet 100 Dollar in die Hand. Wir müssen uns keine Sorgen machen, er habe genug Geld, wir sollen nicht drauf achten wie er angezogen sei, er sei Reich und ihm gehe es gut. Widerstand war zwecklos, Thomas versuchte mit allen Mitteln das Geld nicht anzunehmen, aber bevor das ganze noch in Streit ausartet Steckte er sich die Noten in die Tasche. Wir bekamen den Kinnladen einfach nicht mehr geschlossen…Wie kann einem so was passieren?

Nun waren wir befreit, alles Polizeiliche war geregelt und wir konnten uns auf die Suche nach einem Rastplatz für die Nacht machen…wir haben dringend eine Pause nötig. Der Lastwagenfahrer wusste einen schönen Park der er uns zeigen wollte. Also setze er sich bei Abdullah hinten aufs Motorrad und wir folgten den Beiden. Kamen jedoch nicht weit. Beim ersten Gemüsehändler wurde angehalten und wir wurden mit Früchten, Gemüse und Wasser für die gesamte kommende Woche eingedeckt. Wir mussten erst gar nicht versuchen unser Portemonnaie zu zücken, Abdullah regelte das.. Dann ging es weiter…. Immer weiter… Er zeigte uns das Brautmodengeschäft seiner Tochter, danach werden wir gebeten kurz zu warten und er lässt einen kleinen Einkaufsmarkt öffnen, welcher eigentlich gerade Siesta hatte.

„Nehmt was ihr wollt! Was braucht Ihr? Reis? Milch? Brot?“
Da fällt uns als Europäer nichts mehr ein… Als Abdullah denkt wir seien zu zurückhaltend, lässt er diverse Dinge wie 5kg Reis, den besten Schwarztee, ein riesen Pack Kaugummis etc. einpacken. Mit vollen Säcken beladen wir unser Haus.

Nun soll es Richtung Park gehen wo wir übernachten können. Der Park wird 24 Stunden überwacht und liegt ca. 2km ausserhalb der Stadt am Meer. Doch zuvor hält Abdullah nochmals an. Er hat eine Früchteverkäuferin am Strassenrand entdeckt welche noch viel die schöneren Orangen verkauft, als die welche wir schon geschenkt bekommen haben. 4kg Orangen und eine Tasche voller Bananen werden uns von ihm überreicht. So nun reicht’s es endgültig! Oder? Denkste…Gleich daneben steht eine Tankstelle – ob wir noch Benzin bräuchten? NNNEEEEEIIIINNNN!!! Unsere Tanks sind zwar fast leer (und das weiss Abdullah auch), aber es reicht nun endgültig. Seine Freude uns zu beschenken hätte kein Ende genommen. So konnten wir in letzter Sekunde noch verhindern, dass er unsere Tanks mit Benzin füllen lässt.

Wir knipsen noch ein Abschiedsfoto, tauschen die Mobile-Nummern aus und fahren zum Park. Es sind ein paar Wenige noch am Pick-Nicken, ab und zu interessieren sich Kinder für Alia, aber alles mit dem nötigen Respekt und Abstand.

Die Fische, die wir von Abdullah bekommen haben, müssen nur noch ausgenommen, gewürzt und mit ein paar Knoblauchzehen in eine Alufolie gewickelt werden. Als Beilage gibt es Reis und halbierte gebratene Tomaten. 20 Minuten später ist unser Tisch lecker gedeckt J

Was für ein Tag?? Im Bett liegen wir noch lange mit offenen Augen und können nicht begreifen was an diesem Tag alles passiert ist. Wir sind heilfroh dass den Verunfallten nichts Schlimmeres passiert ist und wir nochmals mit einem blauen Auge davongekommen sind. Wir sind von so viel Hilfsbereitschaft einfach erschlagen…Todmüde fallen uns dann letztendlich die Augen zu….Mögen morgen alle Motorradfahren einen Helm tragen.

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